Vorwort
Über den Ursprung der Legende von Zazona
Von Christoph Konrad Hammetter
Die Legende von Zazona und deren Entstehung ist in der Region des Rheingau-Taunus bis hin zur Main-Mündung in den Rhein angesiedelt. Zazona soll vor langer Zeit in dieser Gegend gelebt haben. Es hieß, sie sei unter einem Baum am Altenstein, einem Quarzfelsen, gezeugt und in jungen Jahren von ihrer Mutter verstoßen worden. Granitquader mit geheimnisvollen Zeichen sollen später an den Stellen aus dem Boden gewachsen sein, wo Zazona auf die Schwarze Fee getroffen sei und deren Prüfungen bestanden haben soll.
Vor langer Zeit – was haben wir darunter zu verstehen? Einst kursierte das Gerücht, wonach die Gebeine Zazonas hinter den Mauern von Kloster Eberbach begraben wurden. Dessen Gründung im Kisselbachtal ist um 1116 datiert und existierte möglicherweise zu Zazonas Zeit noch nicht einmal. Niederschriften oder Dokumente um Leben und Legende einer Zazona waren nicht bekannt.
Im Spätmittelalter soll eine Legende über Zazona zu Papier gebracht worden sein. Bemühungen um eine Zurückverfolgung dieser Annahme lassen vermuten, daß mit einer Grablege Zazonas allerdings nicht Kloster Eberbach gemeint ist: allenfalls ließe sich die These in die Nähe des Klosters des Ordens der Klara von Assisi rücken, das 1298 von König Graf Adolf von Nassau gegründet wurde. Die nassauische Grafenfamilie war eng mit dem Kloster am Kältebach verbunden. Viele Frauen aus heimischer Abkunft standen als Äbtissinen der Klostergemeinschaft vor, und eine große Anzahl der Nassauer wurde hier begraben.
Erst mit der Existenz dieser in einem mattiakischen Dialekt verfassten Schrift, die Ende des zweiten Jahrtausends zum Vorschein kam, erschließt sich nun die Legende von Zazona in ihrer ganzen Ursprünglichkeit.
Die Geschichte handelt von einem Mädchen, das mit zwei Feuerpferden auf die Erde kam. Dort trifft sie auf den Wanderer Mystagogus, der sie in der Welt begleitet. An Steinen mit geheimnisvollen Zeichen treffen sie immer wieder auf die Schwarze Fee, die die Menschen vor ihre Prüfungen stellt.
Bald verliebt sich Mystagogus in Zazona. Doch diese wird von einem Kaufmann begehrt, mit dem sie sich auch einläßt. Eines Tages kommt heraus, dass der Kaufmann doppeltes Spiel treibt und nicht nur Zazona die Heirat verspricht, sondern auch Bienkönigin gelobt, diese zu seiner Frau zu nehmen: durch einen Zufall des Schicksals treffen beide aufeinander. Die vermeintlichen Rivalinnen verbünden sich miteinander, schwören ihm ab und schmieden gemeinsam Rachepläne. Bienkönigin versucht nun, die Gunst des Prinzen Stuart von Kunigessuntera zu gewinnen. Bei einem Gelage, das sie eigens dafür abhalten läßt, finden statt dessen Zazona und Stuart durch ein Zauberwort zusammen. Der Prinz nimmt Zazona mit auf seine Burg und überhäuft sie mit Gold und Pretiosen, Zazona aber sehnt sich nach nichts anderem als Glück und Liebe.
Bevor Prinz Stuart sie für immer zur Frau nimmt, verlangt er von ihr, Mystagogus’ Liebe zu entsagen, die dieser erst jetzt auf ihr Drängen hin eingesteht. Sie verzeiht dessen bisheriges Verschweigen, um ihm für immer verbunden zu bleiben und hat damit die letzte Prüfung der Schwarzen Fee bestanden.
Noch heute erinnern uns in der Natur die Steine, die geheimnisvolle Zeichen tragen, an die Legende von Zazona. Zu Fuß zu erreichen zum Beispiel auf der Platte im Norden Wiesbadens, einem genau 500 m hoch gelegenen Ausflugsziel mit Gasthaus. Dort gibt es etwa 300 m östlich der Jagdschloßruine einen Aussichtsplatz, von dem aus bei gutem Wetter das Panorama vom Odenwald über das Rhein-Neckar-Gebiet bis zum Pfälzer Wald zu überblicken ist. Nicht weit entfernt von dieser Stelle stößt man im Wald auf zwei Granitquader, etwa so groß wie eine Badezimmerkachel, an denen Zazona und dem Wanderer Mystagogus zum ersten mal die Schwarze Fee begegnet ist. Auch auf anderen Granitquadern um den Altenstein finden sich die Symbole in der Feen-Zauberformel: Kreuz, Trigon und Nord.
Bei wem es sich um Mystagogus, den Wanderer handelt, bleibt im Verborgenen. Es könnte sogar der Vefasser selbst sein, der das Dokument einst niederschrieb. Möglicherweise hegte er innige Gefühle für seine Protagonistin Zazona und hat sich selbst mit in die Legende hineingerückt.
Mit der Übertragung dieser Geschichten aus ihrem mattiakischen Dialekt liegt die Legende von Zazona in verständlicher Schriftsprache vor uns. Die Anlehnung der Syntax ans Romantische erschließt sich semantisch auch dem Leser der Postmoderne und bewahrt dabei die Hermeneutik einer märchenhaften Handlung aus lang zurückliegender Zeit.
Christoph Konrad Hammetter
Wiesbaden, MXMXCVI